XV. Fernsehworkshop Entwicklungspolitik
mit Auszeichnungen und Empfehlungen abgeschlossen

Die Sichtungsveranstaltung fand auf hohem Niveau statt

Aus 100 eingereichten Filmen war für die dreitägige Sichtung des XV. Fernsehworkshop Entwicklungspolitik, der vom 13.-16.06.1999 in Köln stattfand, von einer Vorauswahljury ein Programm von 35 Filmen zusammengestellt worden. Die Jury hatte die Aufgabe, aus dem Sichtungsprogramm Filme auszuzeichnen, die das Potential haben, der entwicklungspolitischen Diskussion in der Öffentlichkeit neue Impulse zu geben. Die Jury legte außerdem besonderen Wert auf eine formal innovative Umsetzung und darauf, daß Themen dem Publikum in einer in sich stimmigen und besonders eindringlichen Weise nahegebracht werden. Nach drei Tagen Sichtung hat die Jury bei drei Filmen für eine besondere Auszeichnung ausgesprochen. Sechs weitere Filme erhielten eine begründete Empfehlung.

Die Jury war sich einig, daß die Sichtungsveranstaltung des diesjährigen Fernsehworkshop Entwicklungspolitik auf einem hohen Niveau stattgefunden hat. Die Gegenüberstellung verschiedener Genres machte es zu einer herausfordernden Aufgabe, eine gemeinsame Bewertungsskala zu finden. Die CD-ROM zum „Tatort: Manila" wurde von der Jury als Beispiel eines neuen Genres hervorgehoben. In der Begründung heißt es, daß sie es leisten kann, die Genres zu versöhnen und das Unterhaltende mit einem informativen und didaktischen Anspruch zu verbinden.

Die Spielfilme des Sichtungsprogramms haben entweder bereits einen Verleih und damit eine Auswertung in den Kinos gefunden oder sind zu recht in der nichtgewerblichen Auswertung auf eine große Resonanz beim Publikum gestoßen und haben so eine bestimmte Art von Öffentlichkeit erreicht. Die Jury verstand ihre Aufgabe vorrangig darin, auf noch weniger bekannte Filme hinzuweisen und sie für die Bildungsarbeit zu empfehlen.

Eine besondere Auszeichnung erhielten folgende Filme:

Cracks in the Mask – Risse in der Maske
Ein Film von Frances Calvert, Deutschland, Australien, Schweiz 1997, 57 min. (Eingereicht durch EZEF)

Der Film stellt aus der Perspektive Ephraim Banis, eines Bewohners der Torres-Strait-Inseln, in differenzierter Weise den Umgang mit kulturellem Erbe in den Mittelpunkt. Auf seiner Reise durch europäische Völkerkundemuseen setzt er sich mit deren Rolle auseinander, stellt die Frage nach der Herkunft von Objekten und deren Besitz, sowie ihrer Bedeutung im kulturellen Kontext. Wie es in der Filmbeschreibung heißt, bekommt die dickste Maske Risse, wenn ein Nachfahre der ehemaligen Besitzer das Museum betritt. Dies beschreibt der Film auf vielfältig übertragbare Weise. Hervorzuheben ist außerdem die exzellente Kameraarbeit, die den Film zu einem künstlerisch anspruchsvollen Erlebnis macht.

Angano ...Angano ... Geschichten aus Madagaskar
Ein Film von Marie-Clémence Blanc-Paes und César Paes, Frankreich 1989, 63 min. (Herausgabe in Deutschland 1998) (Eingereicht durch EZEF)

Der Film, der auf den volkstümlichen Geschichten und Mythen Madagaskars basiert, ist ein positives Beispiel für einen anderen Umgang mit fremden Kulturen, jenseits der üblichen Elendsberichterstattung. Es ist die liebevolle Annäherung an andere Lebensweisen und Auffassungen, die geduldig den Geschichtenerzählerinnen und Geschichtenerzählern lauscht, die Lust hat, die Zwischentöne in Bilder umzusetzen und die kleinen Anspielungen humorvoll einbezieht. Wenn unsere Tabus – zum Beispiel im Umgang mit den Toten – gebrochen werden, so erscheint dies nicht als Zumutung, sondern als neugierige Herausforderung, sich dem Fremden zu nähern.

Mangwana – Morgen
Ein Film von Aileen Ritchie und Manu Kurewa, Großbritannien 1997, 29 min. OF (Eingereicht durch National Film & Television School Beaconsfield, Großbritannien)

Im ländlichen Zimbabwe treffen zwei Kulturen aufeinander, die unfähig sind zur Kommunikation: Der Engländer im Schottenrock in seinem unsensiblem Herrenmenschentum, der Älteste eines Dorfes, der zwar englisch kann, jedoch nicht mehr bereit ist, es zu sprechen. Die Begegnung zeichnet sich durch eine Ansammlung von Peinlichkeiten, Mißverständnissen und Vorurteilen aus. Durch die Schottentracht kommt ein groteskes Moment in die unmögliche Begegnung der Kulturen: Hier der Europäer im Rock, dort der Afrikaner in Hose und Hemd. Hinter diesem witzigen Bild steht ein völlig unromantisches und unversöhnliches Bild von Kulturen, die kein Verständnis füreinander haben, und sich dennoch miteinander auseinander setzen müssen. Eine spannende und spannungsvolle Auseinandersetzung mit dem Thema Begegnung der Kulturen.

Als weitere Empfehlungen sprach sich die Jury für folgende Filme aus:

Divorce Iranian Style – Scheidung auf iranisch
Ein Film von Kim Longinotto und Ziba Mir-Hosseini, England 1998, 80 min. OF (Eingereicht durch Kim Longinotto/20th Century Vixen, London)

Der Film bietet den Einblick in ein fremdes Rechtssystem und behandelt dennoch ganz existenzielle Nöte und ist somit auf andere Situationen übertragbar. Durch die sehr persönliche Einbezogenheit der beiden Autorinnen wird das islamische Scheidungsgericht in einer menschlichen Dimension gezeigt, und in einer zurückhaltenden Annäherung die Stärke der Frauen vor dem Gericht hervorgehoben.

Töchter der Gewalt. Aus der Reihe Mädchengeschichten
Ein Film von Maria Barea, Deutschland, Peru 1998, 43 min. (Eingereicht durch ZDF/3sat)

Der Film zeigt in sensibler Weise die psychische Entwicklung eines Mädchens, das in einer gewalttätigen Gesellschaft selbst Gewalterfahrungen gemacht hat und diese verarbeiten muß. Anhand der persönlichen Geschichte einer jungen Peruanerin wird auf die weltweit zunehmende Gewaltbereitschaft von Jugendlichen hingewiesen, auf ihre Verletzlichkeit und die immer wieder unternommenen Versuche, die Gewalt zu durchbrechen.

Falsch verbunden
Ein Film von Marcelo Brigante, Argentinien 1996, 18 min. (Eingereicht durch Katholisches Filmwerk)

Dieser Film ist die sorgfältig inszenierte und verblüffend raffinierte Geschichte, in der sich durch das Mittel des Zeitsprungs zwei Personen begegnen, die sich sonst nie getroffen hätten. Der jugendliche Protagonist, der im heutigen Argentinien lebt, wird so zur Auseinandersetzung mit der Vergangenheit gezwungen, mit dem ungelebten Leben seiner Altersgenossen vor 20 Jahren. Die Geschichte provoziert die Frage, wie man selbst sich in der Vergangenheit verhalten hätte und baut auf das Einfühlungsvermögen und die Intelligenz der Zuschauerinnen und Zuschauer.

Le Clandestin – Der Blinde Passagier
Ein Film von José Laplaine, Zaire 1996, 15 min. (Eingereicht durch EZEF)

Dieser formal ungewöhnliche Film greift mit den Mitteln des Slapsticks und des Stummfilms ein dramatisches und tragisches Thema von enormer Tragweite auf. Die Situation des Blinden Passagiers, der durch das fremde und feindliche Lissabon gehetzt wird, wird aus der Sicht des illegalen Einwanderers erzählt.

Befreien Sie Afrika!
Ein Film von Martin Baer, Deutschland 1996-98, 83 min. (Eingereicht durch Martin Baer)

Dies ist ein Film über Deutsche und für Deutsche. Er zeigt in zahlreichen Ausschnitten, wie sich das Afrikabild der Deutschen durch deutsche Medien – Spielfilme, Dokumentationen, Features, Reportagen, Nachrichten und Soaps – über die Jahrzehnte hinweg entwickelt hat. Er ist darüber hinaus ein Antikriegsfilm, der mit ungewöhnlichen Mitteln seine Aussage erreicht. Durch die Auseinandersetzung mit unseren eigenen Mythen und die ungewöhnlichen filmischen Mittel ist er durchaus geeignet, neue Impulse für die Bildungsarbeit zu setzen.

Zauber der Anden
Ein Film von Gerlinde Böhm, Deutschland, Kolumbien 1998, 54 min. (Eingereicht durch ZDF/Arte)

Der Film zeichnet sich durch große Nähe und Respekt vor seinen Protagonisten aus. Mit ästhetischen Bildern, mit der Lust am Zuhören, die das Tempo des Films bestimmt, wird die ökologische Situation in der Laguna La Cocha in Kolumbien beschrieben. Dabei werden die indianische Identität ebenso hervorgehoben wie die Kraft der Frauen, Veränderungen herbeizuführen, die Verbindung von Vergangenheit und Zukunft, von Ökologie und Entwicklung. Die Jury betont, daß dieser Film ohne Beteiligung von Gerlinde Böhm ausgewählt wurde. Er war ohne ihr Wissen von der zuständigen Redaktion eingereicht worden.

 

Die Jury des XV. Fernsehworkshop Entwicklungspolitik

Gerlinde Böhm, Filmemacherin, Berlin
Bärbel Lutz-Saal, Redakteurin ZDF, Frankfurt/M.
Nina Melchers,
Hessisches Landesinstitut für Pädagogik, Schulberatungsstelle Globales Lernen Eine Welt, Falkenstein
Joachim Steinigeweg, Alle(r)weltskino, Köln
Gudrun Zimmermann, Redakteurin SWR, Baden-Baden